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Volkstheater Wien

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Volkstheater Wien

Volkstheater Wien PHX07517 print Copyright Martin Phox©Martin Phox

Als das Wiener Volkstheater 1889 gegründet wird, ist die Wiener Theaterlandschaft noch stark nach Ständen unterteilt: Das Burgtheater etwa ist als kaiserliches Privattheater der Hocharistokratie vorbehalten. Es mehren sich demgegenüber Stimmen, die ein Deutsches Volkstheater als dezidiert bürgerliches, auch volksbildnerisches Gegenstück zum Hoftheater fordern.

Lesezeit: 8 min 12 sec

Gespielt werden sollen neben Volksstücken vor allem klassische und moderne Dramen. Der Verein „Deutsches Volkstheater in Wien“ wird ins Leben gerufen, dem unter anderen der Dramatiker Ludwig Anzengruber und der Möbelfabrikant Franz Thonet angehören. Auch die Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer sind Gründerväter des Vereins.

Das Volkstheater am Weghuberpark ist der erste Bau, der nach den Vorgaben des Theatergesetzes von 1882 errichtet wird. Als erstes Theater wird es ausschließlich elektrisch beleuchtet. Zusammen mit den Architekten Fellner und Helmer entwickelte Waagner-Biro damals die ersten Feuerschutzmaßnahmen für Theater. Der Ringtheaterbrand 1881 in Wien und zahlreiche andere verheerende Theaterbrände in Europa hatten in Wien letztlich zu neuen Sicherheitsvorschriften geführt. Die damalige Forschung von Waagner-Biro ist die Basis für die Sicherheitsbestimmungen in Theatern, die 1991 eingeführt wurden.

Um breite Bevölkerungskreise zu erreichen, setzte der historische Gründungsverein ursprünglich nicht nur auf ein entsprechendes Programm – auch der Theaterbau sollte in seinem großen Zuschauerraum mit nur sehr wenigen Logen vor allem viele Plätze zu erschwinglichen Preisen bieten. Im Laufe der Jahre wurde die Zahl der Sitzplätze immer wieder reduziert, um Sicht, Bequemlichkeit und Akustik zu erhöhen und zu verbessern.

Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden hier die letzten signifikanten Sanierungsmaßnahmen der veranstaltungstechnischen, insbesondere der bühnentechnischen Anlagen im Volkstheater Wien durch Waagner-Biro vorgenommen.

Seither haben sich zum einen die Bespielart von einem anfangs reinen En-Suite- Betrieb zu einem überwiegenden Repertoire- und Gastspielhaus gewandelt. Zum anderen entwickelten sich auch die Ansprüche an den technischen als auch wirtschaftlichen Betrieb weiter. Um diesen Rechnung zu tragen, wurde das Haus unlängst einer umfassenden Sanierung unterzogen.


Unser Mitarbeiter, Erich Raser, war bereits bei der Renovierung in den 1980er Jahren dabei und leitete den neuerlichen Umbau im Jahr 2020.

Sie haben vor über 40 Jahren bei der Waagner Biro begonnen. Wie kam es dazu?

1977 habe ich im Alter von 19 Jahren ein Ferialpraktikum in der Bühnentechnik gemacht und durfte beim Projekt Festspielhaus Bregenz mitarbeiten. Mein endgültiger Start war dann 1978 nach meinem Schulabschluss. Mein zweites Projekt war dann schon das Volkstheater, bei dem ich bereits von der ersten Minute an dabei war.

Was waren Ihre Aufgaben beim Projekt Volkstheater?

Damals war die Bühnentechnik mit ca. 8 Personen noch sehr klein und keine eigene Abteilung, sondern nur eine Sparte in der Abteilung Maschinenbau.

Ich war sozusagen die linke Hand des Projektleiters, der mich zu allen Besprechungen und Terminen von Anfang an mitgenommen hat. Das war sehr spannend – vom ersten Kundenkontakt und Angebotserstellung, von den Erstentwürfen bis zur fertigen Konstruktion und der Inbetriebnahme war ich überall live dabei. Das war sehr lehr- und hilfreich, vor allem auch für den jetzigen Umbau.

Damals gab es noch keine Computer und es wurde alles mit der Hand gezeichnet. Wie kann man sich das vorstellen, wie so ein Plan entstanden ist?

Am Anfang haben wir auf Zeichenbrettern mit Bleistift oder Tusche auf Transparentpapier gezeichnet. Für die Vervielfältigungen der Pläne gab es eine große Repro-Abteilung, in der für jeden Plan einzeln händisch die Lichtpausen angefertigt wurden.

Bevor man zu zeichnen begann, musste man sich bereits im Vorhinein über das Gesamtkonzept im Klaren sein. Bevor ich den Stift zur Hand nahm, war der Plan bereits in meinem Kopf fertig. Man konnte nicht einfach mit dem Zeichnen anfangen und wenn etwas nicht gepasst hat, einfach löschen oder zur Seite schieben. Wenn es einmal gezeichnet war, dann war es auf dem Papier. Die Stücklisten wurden händisch geschrieben und die Gewichte mussten wir mit dem Taschenrechner ausrechnen.

CAD-Programme oder ähnliches gab es noch überhaupt nicht. Erst in den 1990er Jahren wurden erste Computer angeschafft. Für das erste CAD-System wurde sogar ein Schichtbetrieb eingerichtet, damit das Gerät 24 Stunden ausgelastet ist, weil es so teuer war. In der Mitte des Büros gab es dann einen CAD-Arbeitsplatz, um den rundherum schwarze Vorhänge aufgehängt wurden. Da die Qualität der Bildschirme noch nicht sonderlich ausgereift war, war das notwendig, um etwas darauf erkennen zu können. Und natürlich gab es bei den Mitarbeitern Widerstände gegen das „neumodische Zeug“. So gesehen, habe ich in der Steinzeit der CAD Technologie angefangen.

Beim jetzigen Umbau haben wir zum Teil alte Pläne aus dem Archiv geholt und in 3D nachmodelliert – überall dort, wo etwas Neues an das Bestehende angebaut wurde. Das war zum Beispiel beim Schnürboden und den Galerien der Fall, wo wir neue Antriebe und Stiegen eingebaut haben.

Buehnengeschichte Volkstheater Wien kleines Bild nebeneinander 1©WaagnerBiroStageSystems
Buehnengeschichte Volkstheater Wien kleines Bild nebeneinander 2©WaagnerBiroStageSystems

In den Anfängen standen wir noch am Zeichenbrett und zeichneten mit dem Bleistift

Renovierung vor über 40 Jahren

Wie sah die Renovierung in den 1980er Jahren beim Volkstheater aus? Was wurde damals alles erneuert?

Angefangen hatte es mit einer Anfrage für eine Reparatur. Daraus hat sich nach und nach ein Großumbau entwickelt. Das Volkstheater war zu dem Zeitpunkt noch gänzlich unberührt. Am Originalzustand von 1889 wurde bis dahin nicht viel verändert und sehr viel war auch noch aus Holz gebaut.

Die Einbringung zum Beispiel erfolgte von der Museumsstraße, wo eine steile Rampe von der Straße auf die 3m höher liegende Bühne führte. Dort hinauf wurden die Dekorationen händisch von der Straße auf die Bühnen geschoben. Das war äußerst mühsam.

Die Nutzlasten im Haus waren beschränkt. Wenn man sich die Dachkuppelkonstruktion vom Schnürboden ansieht, sieht man, dass diese sehr filigran ist. Das ist auch jetzt noch die Original-Dachkonstruktion. Auf dieser Konstruktion war auch die Bühnentechnik befestigt – da kann man sich vorstellen, dass man keine großen Lasten einbringen konnte. Die Mauern des Theaters konnten ebenso keine Lasten tragen. Das war die größte Herausforderung.

Wir haben also in das Theater eine komplett neue Stahlkonstruktion eingebaut, die bis in den Keller gereicht hat. Diese sah aus, wie ein gigantischer Tisch mit 4 Füßen und darauf wurde dann die gesamte neue Bühnentechnik aufgebaut. Diese Konstruktion ist auch heute noch erhalten geblieben und ist die Basis, für die gesamte Bühnenmaschinerie. Beim jetzigen Umbau wurden nur die Fundamente der Stahlstützen verstärkt, da die Lasten nochmals erhöht wurden.

Buehnengeschichte Volkstheater Wien kleines Bild nebeneinander 3 Rampe alt©WaagnerBiroStageSystems
Buehnengeschichte Volkstheater Wien kleines Bild nebeneinander 4 Tisch©WaagnerBiroStageSystems

Foto links: Die Einbringung erfolgte über eine steile Rampe von der Straße auf die 3m höher gelegene Bühne / Foto rechts: Eingebaute Stahlkonstruktion als Verstärkung für die Bühnentechnik

Es war ja nicht nur die Obermaschinerie, die erneuert wurde. Auch die Untermaschinerie erhielt eine herausragende Neuerung für die damalige Zeit.

Ja, das stimmt. Damals war die Steuerungstechnik für regelbare Antriebe noch in den Kinderschuhen und es wurde eine Obermaschinerie mit händischen Prospektzügen eingebaut. Es gab nur elektrische Beleuchterzüge, einige Schwerlastzüge, einen Vorhang und einen Schleierzug – der Rest der Obermaschinerie war händisch mit Gegengewichten betrieben.

Aber das Highlight der damaligen Renovierung war die Drehbühne. Im ursprünglichen Theater gab es nur eine hölzerne Drehbühne, die auf vielen ca. 5 cm großen Stahlkugeln gerollt ist und ebenso händisch bewegt werden musste. Wir bauten 1981 eine richtige Zylinderdrehbühne mit einem Zentrallager und zwei Versenkungen ein. Die Unterbühne funktioniert immer noch einwandfrei und wurde bei der jetzigen Renovierung nahezu unverändert übernommen.

Renovierung 2020

Was bedeutet es, nach über 40 Jahren bei der nächsten Renovierung wieder mit dabei zu sein?

Es war sehr spannend und interessant, die ganzen alten Dinge zu sehen und es ist erstaunlich, wie schnell man sich wieder an Details erinnert. Ich war ja damals bereits von Anfang an in das Projekt involviert und das kam mir auch jetzt zugute, vor allem in meinen Gesprächen mit der örtlichen Bauaufsicht und den Planern. Da ich vor über 40 Jahren bereits an der Konstruktion der Bühnentechnik beteiligt war, hatte ich alle Hintergrundinformationen dazu.

Welche Neuerungen gab es nun beim aktuellen Umbau?

Schnürboden 

Der Schnürboden in der Hinterbühne war bis 1980 aus Holz und wurde erst bei der damaligen Renovierung durch eine Stahlkonstruktion ersetzt. Das Problem dabei war allerdings, dass hier zu wenig Platz nach oben vorhanden war, um Dekorationen oder den Rundhorizont wegziehen zu können. Deshalb war es ein lang gehegter Wunsch des Theaters, hier mehr Höhe zu bekommen. Beim jetzigen Umbau haben wir das nun realisieren können und den gesamten Schnürboden um einige Meter nach oben versetzt. Auf der Hauptbühne befand sich der Schnürboden unter der Dachkuppelkonstruktion und man musste immer über die Unterzüge der Kuppelkonstruktion drübersteigen. Wenn man Punktzüge versetzen wollte, mussten diese immer über die Unterzüge gehoben werden, um sie an die neue Position zu bringen. Auch hier wurde der Gitterrost höher gesetzt und für die Punktzüge ein Schienensystem montiert. So können diese sehr einfach in Position gefahren werden und jetzt kann das eine Person ohne große Anstrengung erledigen.

Buehnengeschichte Volkstheater Wien Einzelbild Schnuerboden©WaagnerBiroStageSystsems

Der Schnürboden der Hinter- und Hauptbühne wurde jeweils angehoben. Durch Einbau von Durchgängen und Vergrößerung eines Podiums in der Drehbühne, gelangt man von der Straße direkt in die Unterbühne.

Steuerung 

Das Theater war bereits mit unserer Steuerung C⋅A⋅T V4 ausgestattet; allerdings war die bestehende Anlage sehr klein. Alle Prospektzüge, die bis jetzt manuell mit Gegengewichten ausgeführt waren, wurden nun durch Maschinenzüge ersetzt. Die gesamte Bühnentechnik (Ober- und Untermaschinerie) wurde in unsere neue C⋅A⋅T V5 Steuerung eingebunden. Corona bedingt konnten wir die ersten beiden Einschulungstage nur online durchführen, was aber sehr gut funktioniert hat. Im Theater selbst hatten wir dann noch 2 Tage Schulung vor Ort, wo die Teilnehmer alles live ausprobieren konnten. Innerhalb dieser kurzen Zeit konnten sich die verantwortlichen Mitarbeiter bereits gut in unsere Steuerung einarbeiten, da sie sehr intuitiv und einfach aufgebaut ist. 

Anlieferung – neues Konzept 

Anlieferung über die Unter- und Seitenbühne 

Das Konzept für die Anlieferung für das Theater wurde komplett überarbeitet und verbessert. So kommt man jetzt direkt von der Straße in die Unterbühne. Ein bestehendes Podium in der Drehbühne wurde vergrößert, damit man nun auch Dekorationen direkt auf die Hauptbühne transportieren kann. Zusätzlich wurde eine neue Seitenbühne mit einem Antransportpodium realisiert, indem die Wand nach außen durchbrochen wurde. So gelangt man direkt von der Straße auf die neue Seitenbühne.

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Buehnengeschichte Volkstheater Wien kleines Bild nebeneinander 7 Seitenbuehne neu©WaagnerBiroStageSystems

Alle Verbesserungen auf einen Blick

  • Einbringung über Hinterbühne
  • Neue Seitenbühne mit Transportpodium
  • Mehr Hubhöhe in der Hinterbühne
  • Alle Antriebe (bestehende und neue) sind in die C⋅A⋅T V5 Steuerung integriert. Als Steuerpulte kommen 3 Stk C⋅A⋅T 562 mit Doppelbildschirm und 1 Stk C⋅A⋅T 530 zum Einsatz
  • Alles ist elektrifiziert
  • Zugänge zur Galerie wurden verbessert
  • Aufstiege/Treppen auf Galerie wurden erneuert
  • Insgesamt mehr Platz auf der Bühne
  • Mehr Sicherheit für die Schauspieler und Mitarbeiter

Ein sehr wichtiges Thema in Theatern ist die Sicherheit für Mitarbeiter und Schauspieler. Wie kann diese garantiert werden?

Ja, die Sicherheit ist ein sehr zentrales Thema, wenn man bedenkt, dass über der Bühne oft einige Tonnen an Dekorationen über den Schauspielern hängen. Bei händischen Antrieben gibt es keine Überwachung. Da gibt es nur den Bediener, und wenn dieser einen Fehler macht, dann passiert etwas. Es gibt keinen Not-Aus Schalter oder ähnliches. Jetzt sind alle Antriebe in unserer neuen C⋅A⋅T Steuerung integriert. Bei unserer Steuerung gibt es unzählige Überwachungsfunktionen, die das Bedienen einfach sicherer machen. Das System fragt regelmäßig ab, ob es irgendwo ein Problem gibt und warnt dementsprechend schneller. Die gesamten Reaktionszeiten der Steuerung sind unter anderem auch viel geringer als noch bei der Vorgängerversion C⋅A⋅T V4.


Was ist wichtig in der Organisation bei so einem Projekt?

Was ich bei diesem Projekt wieder gesehen habe ist, dass es sehr wichtig ist, immer mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben. Das ist vor allem essentiell, wenn es einen engen Terminplan gibt. Es gab mit der örtlichen Bauleitung wöchentliche Abstimmungsmeetings über den Baufortschritt und wir haben Probleme offen angesprochen. Kein Projekt läuft reibungslos ab und man muss einfach lösungsorientiert und ehrlich bleiben. Diese Ehrlichkeit wird auch vom Kunden sehr geschätzt. Und wenn es von unserer Seite aus ein Problem gibt, dann setzen wir alle Hebel in Bewegung, dieses zu lösen.

Aber der regelmäßige Kontakt mit dem Kunden hört nicht nach der Übergabe der Anlage auf. Es ist immer öfter der Fall – wie auch beim Volkstheater – dass es die Vereinbarung zu einem Jahr Echtzeitbetrieb und regelmäßige Nutzer-Jour Fixe gibt.

Das heißt, der Nutzer-Jour Fix findet zweimonatlich statt und dabei gibt es einen regen Austausch zwischen Mitarbeitern von Waagner-Biro Stage Systems und dem Volkstheater. Sei es über aufgetretene Störungen, Dinge die gut funktioniert haben oder mögliche Verbesserungen. Das bietet natürlich Vorteile für beide Seiten: unsere Kund*innen bekommen schnelle Lösungen und Hilfestellungen und wir können direkt aus dem Arbeitsleben heraus Steuerung und Planung weiterentwickeln. In so einem Kundenaustausch entwickelt sich die gesamte Bühnentechnik laufend weiter.

Ines Schwabl image©Waagner-Biro Stage Systems

Ines Schwabl

Autor

Angelika Albert-Knaus image©Waagner-Biro Stage Systems

Angelika Albert-Knaus

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29.7.2024

In diesem Artikel

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